Kann die Traumakette durchbrochen werden?
Und was es bedeutet, wenn Eltern ihre Wunden anschauen, um sie nicht weiterzugeben
Trauma endet nicht mit dem Ereignis.
Es pflanzt sich weiter – in Beziehungen, in Reaktionen, in der Art, wie wir mit Nähe, Konflikten oder Verantwortung umgehen.
Viele Eltern tragen die Hoffnung in sich, dass ihre Kinder es einmal besser haben sollen. Doch wie sehr kann man die eigenen Wunden wirklich zurückhalten?
Und lässt sich die Weitergabe von Schmerz tatsächlich verhindern?
Was wir nicht verarbeiten, geben wir weiter
Trauma ist kein einzelnes Ereignis. Es ist ein Zustand – der im Körper gespeichert bleibt, wenn etwas zu schnell, zu viel oder zu einsam war. Und dieser Zustand wird weitergegeben – nicht nur durch Worte, sondern durch Körpersprache, Stimmung, Reaktion. Ein Kind spürt nicht, was du erlebt hast – aber dass du etwas trägst. Es passt sich an. Oft, ohne zu wissen warum.
Selbstheilung schützt – aber sie macht nicht unverwundbar
Viele Eltern, die an sich arbeiten, tun es aus einem tiefen Wunsch:
„Ich will es anders machen.“
Und ja – das verändert etwas. Jede bewusste Entscheidung. Jede unterbrochene Reaktion. Jedes Innehalten. Aber Heilung macht nicht perfekt. Auch nicht untriggert. Und manchmal wirkt ein alter Schatten durch – bevor wir es bemerken.
Wie sehr kann man sich schützen?
Gar nicht vollständig. Aber sehr wohl wesentlich. Wer seine Wunden kennt, kann Verantwortung übernehmen, wenn sie sich zeigen. Wer den Schmerz von früher gefühlt hat, muss ihn nicht mehr reflexhaft abladen. Wer den Blick nach innen wagt, lernt zu unterscheiden:
Was gehört zu mir – und was projiziere ich gerade auf mein Kind?
Das ist keine Garantie. Aber es ist ein Unterschied.
Wieviele Generationen braucht es?
Manchmal reicht eine bewusste Generation, um die Kette zu brechen. Nicht im Sinn von „alles ist geheilt“ – aber im Sinn von:
Es wird nicht mehr blind weitergegeben.
Denn der Moment, in dem ein Mensch innehält, reflektiert, Verantwortung übernimmt – verändert das Familiensystem. Vielleicht nicht vollständig. Aber nachhaltig.
Und das reicht oft, um dem nächsten Kind zu zeigen:
„Du musst meine Last nicht mehr tragen.“
Und was bedeutet das?
Dass du Fehler machen wirst. Dass du triggerbar bleibst. Und dass du trotzdem ein guter Elternteil sein kannst. Nicht durch Perfektion. Sondern durch Präsenz. Durch Nachspüren. Durch Entschuldigen, wenn es nötig ist. Heilung zeigt sich nicht daran, dass du nie mehr aus der Haut fährst. Sondern daran, wie du danach wieder in Beziehung gehst.
Fazit
Die Traumakette endet nicht an einem Punkt. Aber sie kann an einem Menschen langsamer werden. Bewusster. Weicher.
Wenn du aufhörst, dein Kind mit deiner Vergangenheit zu belasten – auch wenn sie noch in dir wirkt – dann entsteht ein Raum.
Ein neuer Anfang. Nicht für Perfektion. Aber für echte Begegnung.
Ich begleite Väter, die diesen Weg gehen wollen – ehrlich, mitfühlend, entschlossen.
Denn es geht nicht darum, fehlerfrei zu leben.
Sondern darum, nicht länger unbewusst zu wiederholen, was einst so wehgetan hat.