Alkohol der Mutter – und was beim Sohn zurückbleibt
Manchmal war es nur abends. Manchmal täglich. Manchmal heimlich – manchmal laut.
Aber immer war er da:
Alkohol.
Und noch wichtiger:
Die Unsicherheit, die er im Kind auslöst.
Was Kinder fühlen – und nicht benennen können
Ein Kind spürt, wenn etwas nicht stimmt. Es sieht, wie sich der Blick verändert. Es hört die anderen Worte, die andere Stimme. Es merkt, dass Nähe sich in Kälte verwandelt – oder in peinliche Übergriffigkeit.
Was es nicht kann:
Einordnen.
Ein Kind denkt nicht:
„Meine Mutter trinkt – sie kann gerade nicht reguliert auf mich reagieren.“
Es denkt:
„Ich bin zu viel.“
„Ich bin schuld.“
„Ich muss mich anpassen.“
Und das bleibt – auch wenn der Alkohol längst nicht mehr auf dem Tisch steht.
Täter-Loyalität – der stille Schutzmechanismus
Wenn du als Kind erlebt hast, dass deine Mutter emotional nicht erreichbar war – dann hast du sie nicht verlassen. Sondern dich selbst.
Nicht aus Schwäche. Sondern aus Schutz.
Denn Bindung ist stärker als Wahrheit. Und wenn Nähe bedeutet, dass du dich klein, ruhig, angepasst und kontrollierbar machst – dann wird genau das zu deiner Beziehungsstrategie.
Auch später. Auch als Mann.
Was bleibt – im erwachsenen Körper
Viele Männer, die mit einer trinkenden Mutter aufgewachsen sind, tragen Spuren davon in sich – manchmal sehr subtil:
ein Gefühl von Daueranspannung
Angst vor Nähe und Kontrollverlust
extremes Harmoniebedürfnis
Schwierigkeiten, eigene Bedürfnisse zu spüren
Schuld, wenn sie für sich selbst einstehen
die Tendenz, sich in Beziehungen aufzureiben
Und oft:
eine Schwäche fürs Betäuben.
Warum Sucht kein Zufall ist
Studien zeigen:
Kinder von suchtbelasteten Eltern haben ein signifikant höheres Risiko, selbst suchtanfällig zu werden.
Nicht nur wegen der Genetik – sondern wegen der Verkabelung im Gehirn.
Neurobiologie kurz erklärt:
Das kindliche Gehirn ist ein offenes System – es lernt durch Beziehung. Durch Spiegelung. Durch Co-Regulation.
Wenn die Mutter emotional nicht präsent ist (z. B. durch Alkohol), erlebt das Kind keine stabile, verlässliche Reaktion.
Es lernt:
Ich muss mich selbst regulieren – aber ich kann es nicht.
Gleichzeitig wird das Belohnungssystem (v. a. Dopamin) verzerrt:
Der Nucleus accumbens (Zentrum für Lust & Belohnung) wird überempfindlich auf Reize
Das präfrontale Kortex (für Impulskontrolle) entwickelt sich oft unterfordernd oder instabil
Das limbische System (für Gefühl und Stressverarbeitung) bleibt überlastet
Ergebnis?
Als Erwachsener wird die Suche nach schnellen, intensiven Reizen (Drogen, Alkohol, Sex, Leistung) zum Kompensationsmuster.
Der Zusammenhang zwischen Sucht & Sehnsucht
Viele Männer trinken nicht „einfach so“. Sie trinken, weil ihr Körper endlich mal entspannen darf. Weil für ein paar Minuten niemand etwas will.
Weil sie sich selbst spüren – oder gar nicht mehr.
Und manchmal wiederholt sich, was sie als Kind erlebt haben:
Unregelmäßigkeit. Kontrollverlust. Schuld. Diesmal aber nicht mehr bei der Mutter – sondern in sich selbst.
Und jetzt?
Die Lösung ist nicht Abstinenz. Die Lösung ist: Verstehen.
Erkennen, was damals fehlte. Und was du dir heute langsam, still und in Würde zurückholen darfst.
Bindung, ohne dich zu verlieren. Nähe, ohne dich aufzugeben. Ruhe – ohne dich zu betäuben.
Wenn du diesen Text liest und dich darin wiederfindest – vielleicht nicht in der Biografie, aber im Gefühl – dann bist du nicht schwach.
Du bist geprägt.
Und genau dort beginnt oft Heilung:
Nicht im Kampf. Sondern im Verstehen deiner Geschichte – in deinem Körper.
Ich begleite dich, wenn du möchtest. Nicht als Lösung – aber als Raum, in dem du dich neu spüren darfst.