Gedanken wirken wie Handlungen – warum unser Inneres den Unterschied nicht kennt
Und wie du vom inneren Opfer zum Haltgeber wirst
Ich erinnere mich noch genau an meinen ersten Termin in der EMDR Therapie. Mein Therapeut sagte mir etwas, das sich zuerst unangenehm – und dann unglaublich richtig angefühlt hat:
„Sie stecken seit Ihrer Kindheit im inneren Opfer.
Es wird Zeit, in die Helferrolle zu gehen.“
Ich wusste sofort, was er meinte. Nicht vom Kopf her – sondern aus dem tiefsten Bauch.
Denn ich hatte schon so lange gespürt, dass mein Inneres wie ein aufgeschrecktes Kind war. Und mein erwachsener Teil… war oft abwesend.
Opferdynamik – ein innerer Zustand
Viele von uns tragen verletzte innere Kinder in sich:
Anteile, die sich einsam, schuldig, hilflos oder unsichtbar fühlen. Diese Gefühle stammen nicht aus dem Jetzt – aber sie wirken sofort und körperlich, wenn etwas uns triggert.
In der PITT-Therapie habe ich gelernt:
Diese inneren Kinder brauchen keinen neuen Schmerz. Sie brauchen neuen Halt.
Aber das geht nur, wenn ich nicht mehr mit ihnen verschmelze. Sondern beginne, ihnen als Erwachsener zu begegnen.
Das Gehirn unterscheidet nicht zwischen Realität und Vorstellung
Was viele nicht wissen:
Unser Gehirn – genauer gesagt unser limbisches System – unterscheidet nicht zwischen einer realen Erfahrung und einer gedanklich intensiv durchlebten Vorstellung.
Das bedeutet:
Wenn ich mir vorstelle, wie ich scheitere, verlassen werde, abstürze – dann erlebt mein Nervensystem Stress, Angst und Cortisol als wäre es gerade real.
Wenn ich mir jedoch vorstelle, wie ich als Erwachsener einem verletzten inneren Kind begegne – es halte, anschaue, beruhige – dann wirkt das real beruhigend auf mein System.
Die Imagination ist kein „nur denken“ – sie ist Neurobiologie in Bewegung.
Vom Opfer zur inneren Führung
Was in PITT so kraftvoll ist:
Ich beginne, eine innere Differenzierung aufzubauen.
Da ist das Kind – verletzt, klein, manchmal laut, manchmal stumm
Und da bin ich – als erwachsener Teil, der nicht mehr ausgeliefert ist
Und plötzlich kippt etwas:
Ich reagiere nicht mehr automatisch. Ich beobachte. Ich halte.
Nicht perfekt. Aber spürbar.
Und je öfter ich das tue – auch nur in Gedanken – desto echter wird diese innere Ordnung.
Die Brücke zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein
Wenn du denkst: „Das bringt doch nichts, das ist doch nur in meinem Kopf“ dann sei dir sicher:
Es ist nie nur im Kopf.
Denn unser Unterbewusstsein – unsere Muster, Ängste, Schutzstrategien – sind in unserem Körper gespeichert. Und unser Körper reagiert auf innere Bilder.
Ob du es aussprichst, fühlst, oder „nur“ visualisierst – dein Nervensystem entscheidet nicht anhand des Formats. Sondern anhand der Intensität.
Und was bedeutet das?
Dass du lernen kannst, dich innerlich neu zu positionieren. Dass du nicht mehr in die Opferhaltung musst, nur weil ein altes Gefühl wiederkommt. Sondern dass du aus dem Jetzt heraus den verletzten Anteilen in dir sagen kannst:
„Ich bin jetzt da. Und ich bleibe.“
Und du wirst staunen, wie schnell sich das System beruhigt – nicht durch Erklärungen, sondern durch innere Beziehung.
Fazit
Wir heilen nicht, weil die Vergangenheit sich ändert. Sondern weil wir beginnen, im Heute anders damit umzugehen.
Und dieser neue Umgang beginnt nicht mit Tun – sondern mit innerem Denken. Mit Bildern. Mit Gefühlen. Mit innerer Präsenz.
Ich habe diesen Weg selbst gegangen. Und ich begleite heute Männer, die lernen wollen, sich selbst innerlich zu halten – nicht perfekt, aber echt.
Wenn du spürst, dass du deine inneren Kinder nicht länger allein lassen willst – dann ist jetzt der richtige Moment.
Der Erwachsene in dir wartet schon.